Der Kamala-Crash: Warum Kamalas Kampagne kollabiert und Trump einen Erdrutschsieg erringt
Wie der SPIEGEL so schön schrieb: Harris und Trump sind „weitgehend gleichauf“. Das Gegenteil ist richtig. Schauen wir uns im Detail an, wie es um das Rennen keine zwei Wochen vor dem Wahltag am 5. November bestellt ist.
Die Umfragen sind dabei nur ein Teil des Problems – auch sonst sprechen fast alle Indikatoren für einen Sieg Trumps bei dieser Wahl. Folgende Hinweise auf einen Sieg Trumps haben wir:
- Umfragen: Tatsächlich sind die Umfragen vermutlich noch der eine Indikator, der am wenigsten gegen Harris spricht. Nichtsdestoweniger bröckeln ihre Werte immer mehr, insbesondere in den battleground states, in denen die Wahl entschieden wird.
- Kamala verliert wichtige Wähler. Mit Latinos und Schwarzen bröckeln gleich zwei ihrer wichtigsten Wählergruppen weg.
- Early Vote: Frühwahldaten sind komplexer zu lesen als viele glauben, nichtsdestoweniger lässt sich hier bereits ein klarer Trump-Trend feststellen.
- Wahlregistrierungsdaten: In vielen Staaten wissen wir, wie die Wähler registriert sind, und wie sich die Zahlen im Kontrast zu 2020 entwickelt haben.
- Endorsement-Krise: Kamala Harris wird die Unterstützung von etlichen Gewerkschaften und Institutionen nicht gewährt, was in starkem Kontrast zu Hillary Clinton 2016 oder Biden 2020 steht.
- Interne Rivalitäten: Es gibt einige wichtige Politiker in der Demokratischen Partei, die schon jetzt für 2028 planen. Für diese wäre ein Sieg Kamalas ein Desaster, da sie anders als Biden eine weitere Amtszeit anstreben kann.
- Wichtige Wahlthemen: Die wichtigsten Themen dieser Wahl helfen fast alle Trump mehr als Harris.
I. Die Umfragen: der Kamala-Kollaps in Zeitlupe
In dieser Wahl gibt es sieben Staaten, die als battleground states gelten:
Im Uhrzeigersinn sind das Wisconsin, Michigan, Pennsylvania, North Carolina, Georgia, Arizona und Nevada. Von diesen gewann Trump 2020 lediglich North Carolina, und verlor alle anderen. Kamala Harris hat hier also wenig Spielraum, sie muss schon 4-5 dieser sieben Staaten gewinnen, um einen Sieg erringen zu können. Trump seinerseits benötigt nur 3-4 dieser Staaten für einen Sieg im Electoral College.
Problematischerweise liegt Trump aber weniger als zwei Wochen vor der Wahl in allen sieben Staaten vor Harris auf Basis des RealClearPolitics Polling Average, dem Schnitt der letzten Umfragen also. Hier eine kurze Übersicht, der Frontseite von RealClear Polling entnommen:
Zwar sind das knappe Vorsprünge, die weitgehend noch innerhalb der Fehlermarge liegen. Aber nichtsdestoweniger lässt sich hier ein klarer Trend erkennen, der in sich stimmig ist, weil diese Staaten nicht unabhängig voneinander funktionieren, sondern korrelieren. Wenn Trump beispielsweise in Nevada gewinnt, dann wird er das aufgrund ähnlicher demographischer Gegebenheiten in Arizona garantiert auch tun (Nevada wählt immer ein wenig links von Arizona). Ähnliche Zusammenhänge gibt es zwischen anderen Staaten, besonders innerhalb des Rust Belts, hier vertreten durch Pennsylvania, Michigan und Wisconsin.
Auch der kleine Vorsprung, den sie national besitzt, ist nicht wirklich hilfreich, sondern tatsächlich ebenfalls konsistent mit den anderen Werten. Aufgrund der momentanen Verteilung und Demografie der battleground states braucht Harris schon eher 3-4 Prozentpunkte Vorsprung in der Popular Vote-Kategorie, um im Electoral College einigermaßen zuverlässig auf einen Sieg hinzusteuern.
Es ist prinzipiell denkbar, dass es bei diesen Umfragen zu einer systematischen Verzerrung kommt, und Kamala Harris unterschätzt wird. Doch obwohl es eine solche Verzerrung in den Umfragen zugunsten der republikanischen Seite in den Midterms 2022 tatsächlich gab, ist es aus naheliegenden Gründen angebrachter, Midterms mit Midterms zu vergleichen, und US-Präsidentschaftswahlen mit US-Präsidentschaftswahlen. Und hier ist offensichtlich, dass es sowohl 2016 als auch 2020 sehr starke Verzerrungen zu Gunsten der demokratischen Kandidaten Clinton und Biden gab.
Ich denke, dass es wahrscheinlich ist, dass Trump wie damals auch weiterhin unterschätzt wird. Es mag mittlerweile zwar weniger der berühmten schüchternen Trumpwähler geben, aber unter dem Begriff werden fälschlicherweise alle möglichen Wählergruppen subsummiert, die man korrekterweise eher als schlecht erreichbar bezeichnen sollte.
Das Extrembeispiel sind hier die Amish, die dieses mal hochwahrscheinlich verstärkt Trump wählen werden, und logischerweise in keiner Umfrage auftauchen, da jede Erhebung elektronisch erfolgt. Von ihnen gibt es aber 80.000 alleine in Pennsylvania, und auch Wisconsin beispielsweise beherbergt eine ordentliche Menge (ca. 20.000). Eingedenk der engen Margen der Wahl 2020 haben sie in beiden Staaten Potential, entscheidenden Einfluss zu nehmen.
Aber auch viele der typischen Trumpwähler aus dem Rust Belt, die nur für Trump zur Wahl gehen (und häufig 2008 und evt. auch noch 2012 Obama gewählt haben) und mit der republikanischen Partei und deren Establishment nichts am Hut haben, sind durch Umfragen einfach schlechter erreichbar als andere Wählergruppen, was weiterhin dazu beiträgt, Trumps Umfragewerte zu unterschätzen.
Tatsächlich sieht man genau dieses Phänomen auch bei folgender Berichterstattung des CNN-Wahlgurus Harry Enten (der früher bei FiveThirtyEight gearbeitet hat):
Das Segment unterstellt, dass Trump gerade die weißen Wähler ohne Collegeausbildung wegbrechen (gezeigt werden die Vorsprünge in Prozentpunkten vor den jeweiligen Gegenkandidaten Clinton, Biden und Harris in diesem Segment). Was hier aber unerwähnt bleibt: Hier vergleicht Enten Äpfel mit Birnen. Für 2016 und 2020 zieht er hier die tatsächlichen Wahlergebnisse heran, während er für 2024 eine Umfrage verwendet, die aber ihrerseits wieder den Fehler macht, die betroffene Wählergruppe zu unterschätzen.
2016 und 2020 war genau dies die größte Fehlerquelle der Umfragen – und würden in diesem CNN-Segment die Umfragen von 2016 und 2020 verglichen, wäre hier kein besonderer Trend ersichtlich.
II. Kamala verliert wichtige Wählergruppen
Wer sich den Clip anschaut, wird feststellen, dass er hauptsächlich dazu dient, die alarmierenden Defizite der Harriskampagne bei anderen Wählergruppen zu relativieren, was besonders für Schwarze und Latinos gilt. Diesen Trend bei Latinos gibt es schon länger, und er ergibt auch Sinn, weil viele der eingewanderten Subgruppen in der Tendenz eher konservativ sind. Das gilt insbesondere für die kubanischen Einwanderer in Florida (weshalb Florida auch nicht länger als swing state gilt), aber auch beispielsweise für die vielen mexikanischen Einwanderer, wie sie gerade in Nevada und Arizona zu finden sind.
Neu ist dagegen der Trend, dass Trump plötzlich nahezu doppelt so viele schwarze Wähler wie in den beiden Wahlen zuvor für sich gewinnen könnte. Dieser Trend war selbst in der Honeymoonphase Kamalas bereits offensichtlich, wenn man in den Umfragen etwas tiefer grub und sich die sogenannten Crosstabs angeschaut hat – und diese dann mit entsprechenden Umfragen zu einem ähnlichen Zeitpunkt 2020 vergleicht.
Das funktioniert selbst bei Umfragen mit systematischen Verzerrungen, da hier weniger genaue Zahlen wichtig sind, sondern der Trend. Sprich es ist dann unerheblich, ob schwarze Wähler (oder eben Latinos) in der Stichprobe über- oder unterrepräsentiert sind, weil klare Zuwächse oder Verluste innerhalb der Wählergruppe dennoch offensichtlich werden. Zu beobachten ist das Phänomen über viele Umfragen hinweg, hier soll als Beispiel YouGov dienen:
Trump vs Biden 2020, Latinos und schwarze Wähler
Trump vs Harris 2024, Latinos und schwarze Wähler
Was Latinos angeht, wird Harris von einer hinreichenden Anzahl als zu progressiv wahrgenommen. Bei schwarzen Wählern ist das Problem dagegen, dass sie (auch wenn sie sich dieser Tage als schwarz bezeichnet) nicht als eine der Ihren gesehen wird. Sie hat die meiste Zeit ihres frühen Lebens in Kalifornien und Kanada zugebracht, und war dann im Wesentlichen Teil des akademischen Lebens in verschiedenen Universitäten in Montreal, Washington DC und Kalifornien, bis sie 1990 ihre politische Karriere in Kalifornien begann.
Im starken Gegensatz zu Obama genießt sie unter schwarzen Wählern weniger kulturelle Akzeptanz, was sich in diesen Wahltrends niederschlägt.
III. Early Vote: Wo die Frühwahldaten für Trump sprechen
Man muss mit Frühwahldaten etwas vorsichtiger sein, als man denken würde. 2020 gab es coronabedingt vor allem via Briefwahl deutlich mehr Frühwähler, was das Problem mit sich bringt, dass die jetzigen Daten in den meisten Fällen nicht vergleichbar sind mit denen von 2020. Es ist hier wichtig, sich auf Staaten zu konzentrieren, die solche Frühwahlmöglichkeiten schon länger anbieten, wie das zum Beispiel in Nevada der Fall ist.
Dort läuten die Alarmglocken der Demokraten, weil die gewohnten Frühwahlpolster, die sich die Demokraten typischerweise aufbauen, im Moment fehlen (ausgezählt wird erst ab dem 5. November, aber man sieht, ob die stimmabgebenden Wähler republikanisch, demokratisch oder unabhängig registriert sind). Im Moment müsste Harris also die unabhängigen Wähler zweistellig für sich entscheiden.
Persönlich denke ich, dass das unmöglich ist, weil es gegen jeden Trend geht (im ganzen Land), der in diesem Wahlzyklus zu beobachten ist. Ich denke auch, dass das Teil eines generellen Trends ist, der im ganzen Land mehr oder weniger ausgeprägt zu beobachten ist. Nur ein potentielles Problem sehe ich hier: Dass die Republikaner hier ihre eigenen Stimmen kannibalisieren, die sie am Wahltag ohnehin bekommen hätten.
Wenn die hier implizierten Trends halten, wird es eine düstere Wahlnacht für Kamala Harris.
IV. Wahlregistrierungsdaten
Ein guter Indikator für kommende Wahlen sind auch die Daten zu (neu) registrierten Wählern. In einigen (aber nicht allen) Staaten der USA registriert man sich als demokratischer, republikanischer oder unabhängiger Wähler. Die Kontraste zur Vorwahl können hier extrem erhellend sein und eine generelle Idee davon geben, wie der Trend verläuft.
Zwar gibt es keine Garantie dafür, dass ein registrierter Wähler auch so wählt, wie er registriert ist, aber im Allgemeinen gibt es hier eine sehr hohe Korrelation. In Georgia beispielsweise gibt es keine Registrierung nach Partei, dafür aber in diesen drei battleground states:
Quelle ist übrigens dieser interessante Blog.
In allen drei Staaten, die 2020 sehr knapp waren, ist der Trend sehr offensichtlich. Wenn es damals also sehr knapp war, und diese Trends so an der Wahlurne ankommen, werden das deutliche Siege für Trump. Zwar haben die Demokraten einen Vorsprung vor allem in Pennsylvania. Das hängt aber damit zusammen, dass Trump ungewöhnliche Wählergruppen im Rust Belt mobilisiert, die zwar eigentlich eher demokratisch wählen, aber nach Obama zu Trump übergelaufen sind.
V. Die Endorsement-Krise
Taylor Swift hat dieses Problem medial etwas überlagert (vor allem in der deutschen Medienlandschaft), aber Kamala Harris hat ein Wahlempfehlungsproblem. Auch das steht im krassen Kontrast zur Situation in den Duellen Trump vs Clinton und Trump vs Biden.
Ganz frisch ist beispielsweise, dass sich die einflussreiche LA Times nicht für Kamala Harris aussprechen wird. Eine ähnlich starke Niederlage ist es, dass sich die einflussreiche Teamster-Gewerkschaft nicht für sie ausgesprochen hat, genausowenig wie es die International Association of Fire Fighters getan hat. Mittlerweile ist auch Jeff Bezos‘ Washington Post dazugekommen.
Letztlich halte ich dies eher für Symptome als für Ursachen der Kamala-Krise, aber nichtsdestoweniger sind auch dies Indikatoren, die für Harris in die falsche Richtung gehen – und auf ein Turnoutproblem hindeuten könnten, so wie es auch die bisherigen Briefwahldaten nahelegen.
VI. Kamala Harris hat viele interne Rivalen
Ein wichtiges Problem für Kamala Harris sind viele interne Rivalen – ein Problem, dass Joe Biden nicht gehabt hätte, weil der nach einer weiteren Amtszeit nicht noch einmal angetreten wäre. Falls Kamala Harris diese Wahl aber jetzt gewinnt, kann sie 2028 als Amtsinhaberin noch einmal antreten. Und Amtsinhaber haben es in aller Regel nicht mit ernsthaften Gegnern in den Vorwahlen zu tun.
Im Moment gibt es mehrere Schwergewichte der demokratischen Partei, die für 2028 eine Kandidatur ins Auge fassen dürften. Neben dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom sind das aller Vorrausicht nach vor allem Gretchen Whitmer (Gouverneurin im battleground state Michigan) und Josh Shapiro (Gouverneur im battleground state Pennsylvania).
Beide sind in entscheidenden Staaten sehr einflussreich, und haben kein ernsthaftes Interesse daran, Harris zum Sieg zu verhelfen. Was effektiv bedeutet, dass sie nicht zwingend ihr Bestes geben werden, um Trump zu verhindern. Das gilt umso mehr, als ein Sieg Trumps auch bedeutet, dass sie es danach 2028 mit einem frischen Gegner zu tun bekommen, der möglicherweise Trumps Mobilisierungskräfte im Rust Belt nicht hat (DeSantis wäre dafür ein Beispiel).
VII. Die wichtigen Wahlthemen favorisieren Trump, nicht Harris
Besser noch als Umfragen schaut man sich an, welche Themen bei einer Wahl am Wichtigsten für den Wähler sind, und welchem Kandidaten diese Themen nutzen. Gerade bei Wahlen, deren Ausgang von der Öffentlichkeit als offen gesehen wird, ist das meist der entscheidende Hinweis darauf, wer letzten Endes gewinnen wird. Bei dieser Wahl sind es die folgenden Themen, die den Wählern besonders auf dem Herzen liegen:
- Inflation: Das mit Abstand bestimmendste Thema, gerade weil es jede entscheidende Wählergruppe persönlich betrifft. Trump profitiert hier sehr stark von der allgemein rosigeren Wahrnehmung seiner Amtszeit und steht beim Thema Inflation in starkem Kontrast zur Biden-Ära, die zwangsläufig auch mit Vizepräsidentin Harris verbunden wird. Klares Gewinnerthema für Trump.
- Einwanderung: Wie schon 2016 profitiert Trump stark von diesem Thema, während Harris hier nur bestenfalls von Positionen der Vergangenheit zurückrudern und Schadensbegrenzung betreiben kann. Durch ihre Funktion als border czar ist es ihr de facto unmöglich, sich von diesem Thema zu lösen. Ein weiteres Gewinnerthema für Trump.
- Außenpolitik: Hier profitiert eher Trump aufgrund seines nicht-interventionistischen Ansatzes. Dass er sich aus Kriegen heraushält hat er in seiner ersten Amtszeit bereits bewiesen, und hilft ihm enorm bei bestimmten Wählergruppen, insbesondere dem berühmten Obama/Trump-Wähler aus dem Rust Belt.
- Abtreibung: Dieses Thema nutzt Harris, ist aber insgesamt in diesem Wahlzyklus weniger von Bedeutung als Inflation und Einwanderung. Das Thema wird für Trump auch teilweise dadurch entschärft, dass er nicht prinzipiell gegen Abtreibung ist, sondern dies die Staaten selber regeln lassen möchte.
In der Summe ergibt sich auch hier kein Bild, dass einen hoffnungsfroh für Kamalas Chancen stimmen würde.
VIII. Fazit: Alles deutet auf einen deutlichen Sieg Trumps hin
Alarmierend für Harris ist hier besonders, wie einseitig alle Indikatoren in Richtung Trump deuten. Die Umfragen sind tatsächlich noch einiermaßen knapp, allerdings besteht für mich weiterhin der begründete Verdacht, dass Trumps Unterstützung noch immer unterschätzt wird. Alle anderen Daten deuten auf einen deutlichen Sieg Trumps im Electoral College hin, und selbst ein Sieg in der Kategorie Popular Vote wirkt jetzt in Reichweite, was noch bei den Wahlen 2016 und 2020 für Trump völlig außer Frage stand.
Hier findest du meinen Blogpost mit einer Übersicht über die besten Wetten zur US-Wahl 2024.
Schuster, bleib bei deinen Leisten – Warum Politikwetten eine schlechte Idee sind
Im Folgenden erkläre ich, warum ich im Allgemeinen gegen Politikwetten bin und warum ich deine Einschätzung zur US-Präsidentschaftswahl nicht uneingeschränkt teile.
1. Seltenheit und Unvergleichbarkeit politischer Events
Der zentrale Kritikpunkt an Politikwetten liegt für mich in der Seltenheit des Events, auf das gewettet wird. Die US-Präsidentschaftswahlen finden nur alle vier Jahre statt. Durch diese langen Zeitabstände sind Vergleichsmöglichkeiten extrem eingeschränkt. Es fehlen Daten für eine sinnvolle Modellierung und verlässliches Backtesting, was die kleine Stichprobe unmöglich macht. Politikwetten neigen daher zum Storytelling: Man konstruiert Erklärungen, die oft die eigene Meinung und Vorurteile widerspiegeln, statt objektiver Analysekriterien zu folgen. Dies erinnert an die amateurhaften Wettstrategien auf Blogabet : „Team A gewinnt, weil es in den letzten Spielen mehr Tore geschossen hat und Team B auswärts schwach ist.“ Ähnliche Fehlschlüsse sind bei Politikwetten häufig und basieren auf persönlichen Meinungen, Hoffnungen oder politischen Überzeugungen. Dies ist keine Kritik an dir persönlich; solche Verzerrungen hat jeder, da man nie völlig neutral und objektiv sein kann. Medienkonsum, soziales Umfeld und persönliche Erfahrungen beeinflussen uns alle. Auch bei dir sehe ich eine gewisse Tendenz.
2. Verzerrung durch Ideologie und Überzeugungen
Politische Überzeugungen und Ideologien können, selbst subtil, Wetten beeinflussen. Deine Argumentationen und bisherigen Wetten, soweit ich mich erinnere, fokussieren sich auf die GOP. Mein Eindruck wurde zudem verstärkt, nachdem ich deinen Artikel „US-Wahl 2020 Post-Mortem“ gelesen habe, der sich an Argumentationen orientiert, die vor allem im engsten Kreis der Trump-Anhänger verbreitet sind. Diese ideologische Nähe kann eine unbewusste Verzerrung darstellen. Du drückst dich zwar diplomatisch aus, doch durch meine Kenntnisse in Politikwissenschaft kann ich eine gewisse Tendenz erkennen.
3. Ignorieren der Datengrundlage
Ein weiterer Punkt, der mich stört, ist der Umgang mit Umfragen. Du beziehst dich ausschließlich auf eine Quelle, was aus meiner Sicht eine zu einseitige Grundlage ist. Bei einer umfassenderen Betrachtung der Daten – wie den Durchschnittswerten von 538, Washington Post, New York Times, The Statesman oder Nate Silver – ergibt sich ein differenzierteres Bild, das ein 50/50-Rennen darstellt, anstatt der von dir im Podcast genannten Wahrscheinlichkeit von 80/20. Die Chancen für Trump mögen so gut stehen wie nie zuvor. Die Umfragen können auch dieses Mal weit vom Ergebnis abweichen, aber die Frage bleibt: In welche Richtung werden die Umfragen abweichen? Wenn die Verzerrung zugunsten Trumps so offensichtlich wäre, sollte der Markt dies längst berücksichtigt haben. Im Fußballwettbereich würde man mit einem Modell, das nur auf Beobachtungen von vor acht Jahre basiert, ebenfalls scheitern. Der Markt entwickelt sich weiter, ebenso wie politische Trends.
4. Ursächlichkeit und Ergebnis von Umfragewerten
In deinem Artikel scheinen Argumente oft Ergebnisse, nicht Ursachen, des aktuellen Stands für die Demokraten zu sein. Fehlende Wahlempfehlungen von Gewerkschaften, Verluste bei Black- und Hispanic-Wählergruppen und die Wahlkampfthemen sind bereits in die Umfragewerte eingepreist. Die enge Position in den Umfragen ist nicht überraschend, sondern das Resultat dieser Entwicklungen. Ein einzelnes Video auf Plattformen wie X, geteilt von einem MAGA-Account, repräsentiert nicht den „Goldstandard“ an belastbaren Informationen und sollte daher kritisch hinterfragt werden.
5. Alternative Herangehensweise: Sure-Bet-Strategien
Abschließend möchte ich auf eine fundierte Alternative hinweisen: die Suche nach Sure Bets. Polymarket und andere Plattformen bieten hierfür eine gute Grundlage. Meine Empfehlung ist der Popular Vote Markt. Aktuell sind beispielsweise mit Polymarket und Sharp Exchange etwa 6,5 % zu holen, und mit Polymarket und Pinnacle lassen sich immerhin noch 4,39 % erzielen. Dies ist eine risikominimierende Strategie, die ich gegenüber der politisch motivierten Wette klar bevorzuge. Auch da ihr in eurem Podcast, Jahrübergreifend keinen beindruckenden ROI erzielt habe, ähnlich wie andere große Polymarket Accounts.
Erst einmal herzlichen Dank für den langen & ausführlichen Kommentar. Dass du dir die Mühe machst, bedeutet mir viel, auch wenn du nicht meiner Meinung bist. Ich suche das Gespräch, und weiß abweichende Meinungen sehr zu schätzen – vor allem, wenn dahinter viel persönlicher Aufwand steckt, wie alleine an der Länge des Kommentars zu erkennen ist.
Zu 1: Es ist korrekt, dass politische Ereignisse selten und oft schlecht vergleichbar sind (bzw: man bildet sich Vergleichbarkeit ein, wo nicht notwendigerweise welche existiert). Ich teile nicht den Schluss, dass man seltene Ereignisse zwingend modellieren muss, um erfolgreich zu wetten. Ein Schlüssel für erfolgreiches Wetten im Politikbereich ist meines Erachtens, Wahrnehmungsverzerrungen auszunutzen. Solche sind bei Trump in meiner Erfahrung reichlich gegeben. Ob jetzt eher auf meiner oder der anderen Seite, werden wir bei dieser Wahl erleben, denke ich. Bisher habe ich trotz 2020 mit Trump reichlich verdient.
Warum ich 2020 auf Trump war, habe ich hinlänglich in diesem Blog erläutert. Die Wahl war knapp, wie ich auch gesagt hatte – letztlich ging die Wette nicht auf, aber die Analyse im Vorfeld war dennoch korrekt. Dezimalquote 3.00 für einen Coinflip ist einfach eine gute Wette, auch wenn sie verliert.
Zu 2: Von Verzerrungen der Wahrnehmungen sind wir natürlich alle betroffen. Wie oben in zu 1) erwähnt denke ich, dass man sich das auch bei Politikwetten zu Nutze machen kann. Aber korrekt, in den meisten Fällen (möglicherweise auch in meinem) mag das ein Hindernis sein.
Zu 3: Ich habe erläutert, warum ich (wie auch 2020) die Umfragen nicht für einen idealen Indikator halte (und sie weiter falsch liegen, obwohl sie Trump leicht vorne zeigen). 538 ist in meinen Augen keine seriöse Quelle. Hätte man alle Vorhersagen des Vorbesitzers Nate Silvers seit 2008 bis 2020 Staat für Staat nachgespielt zu Marktpreisen, wäre trotz seiner Paradewahlen 2008 & 2012 kein Plus herausgesprungen. Das Nachfolgemodell hatte Biden auch zum Höhepunkt seiner Demenzkrise (kurz, bevor er unzeremoniell abgesägt wurde) noch als Favoriten vs Trump, was zu dem Zeitpunkt bestenfalls tragikomisch war.
Zu 4: In die Umfragewerte eingepreist? Ich denke nicht. Die Umfragen liegen imho erneut daneben, warum, habe ich im Blogpost erklärt. Dass man das teilweise schon vorher in den Crosstabs erkennen konnte, habe ich ebenfalls oben erläutert. Die Umfragenergebnisse total spiegeln das nicht wieder. Denke ich. Hier sind die Trends wichtiger als die absoluten Zahlen. Und wir reden hier von Umfragen aus Kamalas absolutem Sommerhoch.
Zu 5: Passt. Mit Surebets habe ich politisch auch angefangen 2012, wie unter anderem im letzten Richtig Wetten Podcast erwähnt.
Summa summarum: Danke für deinen Beitrag, gerne mehr davon. Ernst gemeint.
Samuel bringt es auf den Punkt. Denke die Neutralität/Rationalität ist hier in Punkto Politikwetten und Analysen leider in den letzten 4-5 Jahren zunehmend der Ideologie gewichen. Leider mit der damaligen „Analyse“ des sogenannten „Wahlbetrugs“ als negativem Höhepunkt. Sehr schade.
Ein paar Edits:
– Harris braucht nicht „mindestens 4 swing states“, sondern 3 würden ihr reichen, kompletter rust belt oder auch andere Kombinationen.
– Die Wählergruppen nach Ethnien pendeln sich nach letzten Umfragen wieder auf 2020/2016 Level ein.
– Etwas kurios, hier auf angebliche Rivalen einzugehen, die für Harris aktiv Wahlkampf betreiben, auf der anderen Seite aber die derzeit kaum zu sehende Haley komplett auszublenden oder die 40+ Mitglieder des ehem. Trump Kabinetts, welche öffentlich gegen ihn sprechen, völlig zu ignorieren.
Ich sehe aufgrund verschiedener anderer Faktoren
– Enthusiam 10pts Vorsprung
– Favorability der Kanditaten, was am Ende für viele Unentschiedene der Faktor sein kann
– Women early vote share gap
– Erste after polling Umfragen
– Nichterfassung/schwere Erfassung der Jung-/Erstwähler in den Umfragen, die sehr deutlich zu Harris breaken.
eher Harris vorne. Polymarket sagt etwas anderes. Aber dort natürlich auch 95% Männer, „Cryptobros“ und Elon-Jünger unterwegs. Dazu ein Grossteil der Trumpshares gehalten von 5 Leuten. Es kann sein, dass dort ein einzelner Franzose viel Geld verliert (oder eben gewinnt):-)
Denn Trump kann natürlich trotzdem gewinnen, keine Frage.
Grüße aus Südkorea?
Samuel bringt es auf den Punkt. Denke die Neutralität/Rationalität ist hier in Punkto Politikwetten und Analysen leider in den letzten 4-5 Jahren zunehmend der Ideologie gewichen. Leider mit der damaligen „Analyse“ des sogenannten „Wahlbetrugs“ als negativem Höhepunkt. Sehr schade.
Ein paar Edits:
– Harris braucht nicht „mindestens 4 swing states“, sondern 3 würden ihr reichen, kompletter rust belt oder auch andere Kombinationen.
– Die Wählergruppen nach Ethnien pendeln sich nach letzten Umfragen wieder auf 2020/2016 Level ein.
– Etwas kurios, hier auf angebliche Rivalen einzugehen, die für Harris aktiv Wahlkampf betreiben, auf der anderen Seite aber die derzeit kaum zu sehende Haley komplett auszublenden oder die 40+ Mitglieder des ehem. Trump Kabinetts, welche öffentlich gegen ihn sprechen, völlig zu ignorieren.
Ich sehe aufgrund verschiedener anderer Faktoren
– Enthusiam 10pts Vorsprung
– Favorability der Kanditaten, was am Ende für viele Unentschiedene der Faktor sein kann
– Women early vote share gap
– Erste after polling Umfragen
– Nichterfassung/schwere Erfassung der Jung-/Erstwähler in den Umfragen, die sehr deutlich zu Harris breaken.
eher Harris vorne. Polymarket sagt etwas anderes. Aber dort natürlich auch 95% Männer, „Cryptobros“ und Elon-Jünger unterwegs. Dazu ein Grossteil der Trumpshares gehalten von 5 Leuten. Es kann sein, dass dort ein einzelner Franzose viel Geld verliert (oder eben gewinnt):-)
Denn Trump kann natürlich trotzdem gewinnen, keine Frage.
Inhaltliche Antwort:
„Enthusiam 10pts Vorsprung“ – bin mir nicht ganz sicher, was du damit meinst. Für wen wo?
„Favorability der Kanditaten“ – Trump steht hier deutlich besser da als 2016 oder 2020 gegen die jeweilige Konkurrenz. Was impliziert das also für diese Wahl? Du siehst auch an ganz anderen Dingen, dass Trump hier eine neue Ebene erreicht hat, Stichwort McDonald’s und Müllmann.
„Women early vote share gap“ – Wie oben erwähnt: Ich denke man muss mit Frühwahldaten extrem vorsichtig sein. Nevada ist die große Ausnahme, weil a) swing state und b) hatte schon early voting by mail deutlich vor 2020. Die Zahlen sind hier katastrophal für Harris im Moment, ohne jeden historischen Vergleich. Und Nevada war traditionell immer der demokratischste swing state – tatsächlich der einzige, den Trump auch 2016 nicht gewinnen konnte.
„Erste after polling Umfragen“ >Umfragen >Exit Polls | lass uns nach der Wahl drüber reden
„Nichterfassung/schwere Erfassung der Jung-/Erstwähler in den Umfragen, die sehr deutlich zu Harris breaken.“ – Ich sage dir hier und jetzt voraus, dass diese Subgruppe nicht entscheidend an Harris geht.
Ich interessiere mich nicht für Politikwetten und kann hier nicht ins Detail folgen aber so eine breite Analyse und dazu noch wertvollen (Gegen) Meinungen. Das ist schon Klasse, muss ich sagen
Vielen Dank, Sven. Dass dir das gefällt, obwohl dich Politikwetten nicht interessieren, lässt mich für die Menschheit hoffen. 🙂
Interessante Analyse, aber ich teile eher die Meinung Samuels, auch weil ich Eure Podcasts fast seit Beginn höre und Dein „Fable“ für Trump (nicht politisch gemeint) kenne. 2022 warst Du doch auch ziemlich auf Seiten der Republikaner engagiert, oder? 2016 habe ich tatsächlich ohne große Recherche einen kleineren Betrag auf Trump gesetzt, allein weil die damalige Quote (umgerechnet etwa 36-38 cent iirc) m.E. mehr als genug Value haben musste.
Nach umfangreichen Studium diverser Artikel zu all den jetzt bis jetzt veröffentlichten Umfragen und Quotenbewegungen bin ich in diesem Jahr größer bei Harris eingestiegen.
Ich mag voll daneben liegen, aber eine Sache hat mich extrem stutzig gemacht: So ziemlich alle Umfragen der unterschiedlichsten Institute mit den unterschiedlichsten Stichprobengrößen zu EC und PV – selbst die in Arizona, NC und Georgia – liegen zwischen 47 und 51% für einen der beiden Kandidaten. Das ist mathematisch extrem unwahrscheinlich. Ich glaube, viele Institut passen ihre entsprechend der anderen Umfragen an, bauen sich vielleicht Korrekturmodelle, aufgrund derer sie dann nicht mit Ausreißern auffallen.
Ebenso gibt es extreme Unterschiede in vielen Positionen bei Pinnacle, Polymarket und Kalshi zu z.B. gjopen, 538 oder dem ein oder anderen Statistikfreak auf X. Selbst Kalshi und Polymarket haben sich bis heute deutlich unterschieden.
Ich habe gekauft
Harris (EV) für 37c, jetzt 45c
Harris (PV) für 63c, jetzt 68c
Wisconsin (D) für 42c, jetzt 53c
Pennsylvania (D) für 38c, jetzt 45c
Michigan (D) für 47c, jetzt 59c
Closest state NC 7c/7c, WI 16c/16c, GA 5c/7c, PA 13c/14c
Who will win white women (unglücklicher Titel) für 31c, jetzt 52c
und heute noch House Control (D) für 45c, jetzt 48c
Ach ja, und dann noch für den Fall, dass es knapper wird und Trump wieder den großen Wahlbetrugs hammer herausholt, Election called by Nov 6th „No“ für 34c. ;-).
Bin aber ziemlich sicher, dass ich vieles davon, wenn nicht alles noch vor oder während der Wahl wieder verkaufen werde, weil ich mit weiter steigenden Kursen rechne. Sollten die ersten ausgezählten Staaten – meist D – deutlich über den Umfragen liegen, kann ich mir allerdings auch einen Erdrutschsieg für Harris vorstellen.
Mittwoch morgen um ca 04:00 Uhr sind wir alle hoffentlich ein wenig schlauer.
Korrektur, Harris (EC) ist bei Polymarket nur bei 42, nicht bei 45 cent, da habe ich mich vertan. Allerdings ist sie bei Kalshi heute um 5 Punkte auf knapp 47 cent gestiegen.
Mein Trumpwetten-Faible kommt daher, dass er in den Umfragen unterschätzt wird, was wiederum die Wettquoten verzerrt. Das war 2016 erwiesernermaßen so, und 2020 war der Effekt sogar noch stärker – klar, die Wette wurde verloren, aber Trump für 3.00 am Wahltag zu wetten war definitiv Value für etwas, was effektiv eine 50/50-Wahl war, die mit nur 43k Stimmen über drei Staaten hinweg entschieden wurde.
2022 blieb die rote Welle nicht driekt aus (war immer noch eine R+3-Wahl im Schnitt), aber die Demokraten hatten es clever verstanden, genau in den richtigen Regionen zu mobilisieren. Mein Schluss aus 2022 war letztlich, dass es einfach bestimmte Wählergruppen gibt, die sich nicht als Republikaner identifizieren, den Demokraten aber irgendwann ab 2012 den Rücken zugewandt haben, und nur zur Wahl gehen, wenn Trump auf dem Zettel steht.
Diese Wählergruppe ist besonders im Rust Belt stark vertreten, eher sekulär geprägt, überdurchschnittlich männlich, non-college educated white, es handelt sich oft um Kriegsveteranen und sie möchten ein nicht-interventionistisches/isolationistisches Amerika, das nicht in Kriege in Übersee verwickelt ist, direkt oder indirekt (Ukraine). Sie sind überdurchschnittlich von der Deindustrialisierung gerade im Rust Belt betroffen. Und diese Gruppe ist mit Umfragen aus verschiedenen Gründen schwer zu fassen.
Ich bin mir nahezu sicher, dass diese Wählergruppe wieder erscheinen wird, um Trump 2024 zu wählen, und gegen Ende unter Punkt I. habe ich auch ein Indiz dafür genannt, warum ich glaube, dass diese Gruppe noch immer unterrepräsentiert ist in den Umfragen.
Stichwort Umfragen, ich denke auch, dass hier ein bestimmtes Herding stattfindet (Nate Silver liegt nicht immer falsch), und ich vermute stark, dass viele der Institute Angst davor haben, jetzt mit starken Statements dumm aufzufallen. Sowas wie das Trump+6 von Susquehanna in Nevada ist da schon die krasse Ausnahme.
Mit Umfragen im Bereich von +2 bis -2 wähnen sich die meisten wohl auf der einigermaßen sicheren Seite.
Warten wir also mit Spannung auf die Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Dich aus den Harrispositionen wieder rauszutraden würde ich dir persönlich natürlich empfehlen. EV für 37 Cent Harris mitzunehmen war aber glaube ich clever, kann mir ebenfalls gut vorstellen, dass die Wettquoten wieder gegen 50/50 driften, wenn noch mehr entsprechende Umfragen folgen.
Diese Abhandlung hier bietet viel Futter fürs Gehirn: https://realcontextnews.com/my-data-driven-2024-elections-guide-best-damn-predictions-out-there-highly-likely-result-a-harris-win/
Und Ann Selzer – die hat 2020 Trump in Iowa ziemlich genau vorhergesagt und war damit wohl allein – hat gerade aktuelle Zahlen für Iowa herausgegeben. Kein Herding ;-), +3 für Harris.
Danke für den Link.
Re: Ann Selzer – mit der Umfrage wird sie ihre Glaubwürdigkeit in die Tonne kloppen. Das Problem ist, dass ihre Umfrage soweit außerhalb von wirklich allem anderen liegt, dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass sie damit recht hat – oder auch nur weniger als 10 Prozentpunkte weg vom Endergebnis.
Iowa ist keine Insel, und wenn die Umfrage auch nur ansatzweise stimmen sollte (in dem Sinn, dass Harris Iowa gewinnen *könnte*), dann müssten wir alle möglichen anderen Dinge sehen. Katastrophale Werte für in den nationalen Umfragen zum Beispiel, die weit über das hinaus gehen, was gegen Biden zu sehen war (in den verzerrten Umfragen von damals wohlgemerkt!). Es müsste ein ähnlicher Gegenwind für Trump in Wisconsin spürbar sein.
Der Registrierungstrend republikanischer Wähler vs demokratische Wähler müsste seit 2016 und 2020 komplett gegensätzlich gelaufen sein, aber das Gegenteil ist der Fall.
Direkt parallel zu Selzer kam übrigens eine Umfrage raus von Emerson (die Trump historisch chronisch unterschätzt haben), die in Iowa Trump +9 hat. Das wirkt schon deutlich, deutlich realistischer.
Selbst in einer wirklich katastrophalen Wahlnacht würde Trump Iowa immer noch deutlich gewinnen.
Und dass weder Harris noch Trump in Iowa eine Rally abhalten, sollte auch ein klarer Hinweis sein.
Die Umfrage ist durch nichts zu entschuldigen, außer vielleicht dadurch, dass sie Iowa mit Wisconsin verwechselt haben. Und selbst für Wisconsin halte ich +3 Harris für gewagt.
„liegen _nahezu punktgleich_ zwischen 47 und 51% für einen der beiden Kandidaten“
Hier fehlten zwei wichtige Wörter für das eigentliche Argument, sorry für den Spam.
Kein Problem. Danke für deinen ausführlichen Post!
Nachdem ich mich noch intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt habe, möchte ich meine Argumentation ergänzen und einige neue Erkenntnisse einbringen. In Bezug auf die Marktverzerrung stimme ich grundsätzlich zu, jedoch sehe ich eine deutliche pro-Trump-Verzerrung. Interessanterweise haben sich die Quoten seit meiner ursprünglichen Überlegung deutlich gegen Trump entwickelt. Dabei nehme ich erneut die Umfragen als Grundlage. Ich vermute, dass bei den Meinungsforschern eine große Sorge besteht, Trump erneut zu unterschätzen. Historisch gesehen wäre es das erste Mal, dass dieselbe Partei dreimal hintereinander in Präsidentschaftswahlen falsch eingeschätzt würde – daher denke ich, dass dies diesmal unwahrscheinlich ist.
Die Umfrageinstitute haben ihre Methoden speziell angepasst, um den sogenannten „Shy Trump Voter“ zu identifizieren – eine Theorie, für die es allerdings kaum wissenschaftliche Belege gibt. Wie @mantarae42 auf Substack treffend zusammenfasst, gewichten die Institute mittlerweile ihre Stichproben basierend auf der Erinnerungswahl, also wie sie letztes Mal gewählt haben, was jedoch zu einem systematischen Bias zugunsten der Republikaner führt. Studien zeigen, dass Menschen oft angeben, den Gewinner gewählt zu haben, selbst wenn das nicht der Fall war, was Republikaner in den Umfragen überrepräsentiert.
@mantarae42 weist zudem in seinem Artikel „What Polling Error Can We Expect in 2024?“ darauf hin, dass die Richtung und das Ausmaß eines möglichen Umfragefehlers schwer vorherzusagen sind. In den letzten Wahlen wurde Trumps Unterstützung unterschätzt, doch die Ursachen bleiben unklar. Einige Theorien sehen die Ursache in einer Nichtantwort-Bias von Trump-Anhängern, andere in der Pandemie als zentralen Faktor. Den „Shy Trump Voter“ an sich gibt es so allerdings nicht. Es gibt ja auch keinen Shy AFD Wähler. Selbst hätte es ihn gegen, sollte man nicht davon ausgehen, dass der Effekt in der Größe erneut auftritt, da diese „MAGA“ Trumper enorm an Selbstbewusstsein gewonnen haben dürften. Die Institute haben dennoch verschiedene Anpassungen vorgenommen, darunter die Gewichtung nach Erinnerungswahl, was jedoch zu einem Bias gegen die Demokraten führen könnte. Dies deutet darauf hin, dass Umfragen diesmal eher zu Trumps Vorteil verzerrt sein könnten.
Ein weiterer Punkt ist die zunehmende Unzuverlässigkeit von Umfragedurchschnitten, da viele Meinungsforschungsinstitute ihre Ergebnisse „anpassen“, um nicht zu weit von anderen abzuweichen. Nate Silver spricht in seinem Blog über den „Herding“-Effekt, bei dem Umfragen künstlich ein engeres Rennen zeigen, als statistisch zu erwarten wäre. In Swing States zeigen viele Umfragen ungewöhnlich knappe Ergebnisse – statistisch gesehen wäre hier jedoch mehr Streuung zu erwarten. Silver zeigt, dass 78 % der Umfragen in sieben entscheidenden Swing States ein Ergebnis innerhalb von 2,5 Prozentpunkten hatten – ein statistisch unwahrscheinliches Szenario. Dieser „Herding“-Effekt mindert die Genauigkeit der Umfragedurchschnitte, da sie nicht mehr auf unabhängigen Analysen basieren. Einen Effekt, den er allerdings hauptsächlich herbeigeführt hat.
Ein dritter Aspekt ist die Verzerrung auf Polymarket. Wie Jens in seinem Kommentar bereits angemerkt hat, erfreut sich Trump unter den „Crypto Bros“, die für Wetten auf Polymarket ausschlaggebend sind, überdurchschnittlicher Beliebtheit. Hinzu kommt, dass die demografische Zusammensetzung der Plattform eher Trump-freundlich ist. Diese Verzerrung verbreitet sich auch durch Arbitrage-Wetten auf andere Plattformen.
Ein prägnantes Beispiel für diese Marktverzerrung ist der französische Trader „fredi9999“, der über 40 Millionen Dollar auf Trump gesetzt hat und den Markt damit deutlich beeinflusst hat. Laut @mantarae42 tat er dies auf eine Art und Weise, die weniger auf Gewinnmaximierung als auf politischer Motivation schließen lässt. Ein solcher Eingriff lässt sich durch „Smart Money“ kaum ausgleichen, da es bei Großereignissen wie der US-Wahl schlicht zu viel „Dumb Money“ gibt, wie oft betont wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl in den Umfragen als auch auf den Wettmärkten Verzerrungen bestehen, die die Wahrnehmung der tatsächlichen Wahlchancen beeinflussen könnten. Die Umfrageinstitute könnten aus Angst, erneut falsch zu liegen, Methoden anwenden, die zu einem Bias gegen die Demokraten führen. Gleichzeitig verfälschen große Wetten einzelner Akteure wie „fredi9999“ die Marktquoten auf Plattformen wie Polymarket. Daher denke ich das dieses Mal die Demokraten ihre Umfragen out performen und ich Harris nun leicht als Favoritin sehe (ca. 48:52)
Zu Fredi hat das WSJ einen Artikel verfasst, hier die entpaywallte Archivversion: https://archive.ph/IaAtB
Ist ein Franzose, der sich nicht als polititisch motiviert beschreibt.
Also, ich hab mir den Artikel mal durchgelesen und auch die Accounts bei Polymarket aufaddiert:
Ca. 48 Mio Shares auf EV Trump bzw. No EV Harris
Ca. 29 Mio Shares auf PV Trump bzw. No PV Harris
Mag sein, dass er so viel „Spielgeld“ über hat. Ich respektiere, dass er seinen Namen nicht nennen will, verstehe jedoch gerade dann nicht, dass er sich proaktiv beim WSJ gemeldet hat. Und dann:
„But political betting was new for him“
„He observed that many polls underestimated Trump’s support in 2016 and 2020, and concluded that if Trump outperformed again this year“,
„Asked about changes that pollsters had made in their methodologies in an attempt to fix the problems of 2016 and 2020, Théo was dismissive, saying he had “not seen anything substantial.”“
und vor allem dieser Satz hier
„I know a lot of Americans who would vote for Trump without telling you that“ (Anekdotische Evidenz von jemandem, der professionell mit Zahlen hantiert hat, und wo es beruflich schon mal auf die zweite Stelle hinter dem Komma ankommt???)
sind ein wenig dünn für einen Investmentbanker, der etwa 40 Mio in den Topf schmeisst.
Gute Punkte die du aufzählst, letztlich werden wir es wohl nie herausfinden. Ich denke man darf auch nie überschätzen, dass auch reiche Leute völlig verrückte und dumme Entscheidungen machen können. Geld bedeutet nicht auch Intelligenz. Ich halte die These, dass er ein einsamer Wolf ist, der hier einfach eine verrückte Entscheidung getroffen hat für am wahrscheinlichsten.
Dass das etwas dünn ist, ist korrekt, andererseits: Ich hatte jetzt auch mit genug Journalisten zu tun, als dass du da nicht deutlich mehr erwarten kannst. Du kannst da lang analysieren, es wird immer nur XY hängen bleiben.
Und auch im Umkehrschluss, wenn du so drauf bist wie Fredi und dann zig Millionen draufballerst (und deshalb auch preissensitiv wirst, und deshalb weitere Accounts aufmachst, was bei Polymarket komplett trivial ist) – dann wirst du vielleicht nicht mit allen Indikatoren hausieren gehen, die du sonst noch entdeckt hast.
Ich wollte damit auch keine Verschwörungsschwurbelei andeuten. Es war halt nur so, dass die Aussagen nicht stimmig scheinen. Letztendlich ist es aber fast egal, was die Motive waren.
Ich gehe Dingen gerne auf den Grund. Und welches Ergebnis wir alle uns für Dienstag auch immer erhoffen, eine Analyse wie die von mir weiter oben verlinkte – oder auch dieser Blogpost und die Kommentare darunter haben für mich deutlich mehr Aussagekraft bezüglich des Ergebnisses, als dieses eher widersprüchliche Interview beim WSJ.
Oh ups, das hat die KI falsch verstanden. Ich würde ihm tatsächlich auch keine pol. Intentionen unterstellen, die Auswirkungen sind es. Die Gewinnmaximierung scheint jedenfalls nicht optimal exekutiert zu sein.
Stark, voll ins Schwarze getroffen. Vielen Dank für den Artikel.