Der Kamala-Crash: Warum Kamalas Kampagne kollabiert und Trump einen Erdrutschsieg erringt


Wie der SPIEGEL so schön schrieb: Harris und Trump sind „weitgehend gleichauf“. Das Gegenteil ist richtig. Schauen wir uns im Detail an, wie es um das Rennen keine zwei Wochen vor dem Wahltag am 5. November bestellt ist.

Die Umfragen sind dabei nur ein Teil des Problems – auch sonst sprechen fast alle Indikatoren für einen Sieg Trumps bei dieser Wahl. Folgende Hinweise auf einen Sieg Trumps haben wir:

  • Umfragen: Tatsächlich sind die Umfragen vermutlich noch der eine Indikator, der am wenigsten gegen Harris spricht. Nichtsdestoweniger bröckeln ihre Werte immer mehr, insbesondere in den battleground states, in denen die Wahl entschieden wird.
  • Kamala verliert wichtige Wähler. Mit Latinos und Schwarzen bröckeln gleich zwei ihrer wichtigsten Wählergruppen weg.
  • Early Vote: Frühwahldaten sind komplexer zu lesen als viele glauben, nichtsdestoweniger lässt sich hier bereits ein klarer Trump-Trend feststellen.
  • Wahlregistrierungsdaten: In vielen Staaten wissen wir, wie die Wähler registriert sind, und wie sich die Zahlen im Kontrast zu 2020 entwickelt haben.
  • Endorsement-Krise: Kamala Harris wird die Unterstützung von etlichen Gewerkschaften und Institutionen nicht gewährt, was in starkem Kontrast zu Hillary Clinton 2016 oder Biden 2020 steht.
  • Interne Rivalitäten: Es gibt einige wichtige Politiker in der Demokratischen Partei, die schon jetzt für 2028 planen. Für diese wäre ein Sieg Kamalas ein Desaster, da sie anders als Biden eine weitere Amtszeit anstreben kann.
  • Wichtige Wahlthemen: Die wichtigsten Themen dieser Wahl helfen fast alle Trump mehr als Harris.

I. Die Umfragen: der Kamala-Kollaps in Zeitlupe

In dieser Wahl gibt es sieben Staaten, die als battleground states gelten:

Im Uhrzeigersinn sind das Wisconsin, Michigan, Pennsylvania, North Carolina, Georgia, Arizona und Nevada. Von diesen gewann Trump 2020 lediglich North Carolina, und verlor alle anderen. Kamala Harris hat hier also wenig Spielraum, sie muss schon 4-5 dieser sieben Staaten gewinnen, um einen Sieg erringen zu können. Trump seinerseits benötigt nur 3-4 dieser Staaten für einen Sieg im Electoral College.

Problematischerweise liegt Trump aber weniger als zwei Wochen vor der Wahl in allen sieben Staaten vor Harris auf Basis des RealClearPolitics Polling Average, dem Schnitt der letzten Umfragen also. Hier eine kurze Übersicht, der Frontseite von RealClear Polling entnommen:

Zwar sind das knappe Vorsprünge, die weitgehend noch innerhalb der Fehlermarge liegen. Aber nichtsdestoweniger lässt sich hier ein klarer Trend erkennen, der in sich stimmig ist, weil diese Staaten nicht unabhängig voneinander funktionieren, sondern korrelieren. Wenn Trump beispielsweise in Nevada gewinnt, dann wird er das aufgrund ähnlicher demographischer Gegebenheiten in Arizona garantiert auch tun (Nevada wählt immer ein wenig links von Arizona). Ähnliche Zusammenhänge gibt es zwischen anderen Staaten, besonders innerhalb des Rust Belts, hier vertreten durch Pennsylvania, Michigan und Wisconsin.

Auch der kleine Vorsprung, den sie national besitzt, ist nicht wirklich hilfreich, sondern tatsächlich ebenfalls konsistent mit den anderen Werten. Aufgrund der momentanen Verteilung und Demografie der battleground states braucht Harris schon eher 3-4 Prozentpunkte Vorsprung in der Popular Vote-Kategorie, um im Electoral College einigermaßen zuverlässig auf einen Sieg hinzusteuern.

Es ist prinzipiell denkbar, dass es bei diesen Umfragen zu einer systematischen Verzerrung kommt, und Kamala Harris unterschätzt wird. Doch obwohl es eine solche Verzerrung in den Umfragen zugunsten der republikanischen Seite in den Midterms 2022 tatsächlich gab, ist es aus naheliegenden Gründen angebrachter, Midterms mit Midterms zu vergleichen, und US-Präsidentschaftswahlen mit US-Präsidentschaftswahlen. Und hier ist offensichtlich, dass es sowohl 2016 als auch 2020 sehr starke Verzerrungen zu Gunsten der demokratischen Kandidaten Clinton und Biden gab.

Ich denke, dass es wahrscheinlich ist, dass Trump wie damals auch weiterhin unterschätzt wird. Es mag mittlerweile zwar weniger der berühmten schüchternen Trumpwähler geben, aber unter dem Begriff werden fälschlicherweise alle möglichen Wählergruppen subsummiert, die man korrekterweise eher als schlecht erreichbar bezeichnen sollte.

Das Extrembeispiel sind hier die Amish, die dieses mal hochwahrscheinlich verstärkt Trump wählen werden, und logischerweise in keiner Umfrage auftauchen, da jede Erhebung elektronisch erfolgt. Von ihnen gibt es aber 80.000 alleine in Pennsylvania, und auch Wisconsin beispielsweise beherbergt eine ordentliche Menge (ca. 20.000). Eingedenk der engen Margen der Wahl 2020 haben sie in beiden Staaten Potential, entscheidenden Einfluss zu nehmen.

Aber auch viele der typischen Trumpwähler aus dem Rust Belt, die nur für Trump zur Wahl gehen (und häufig 2008 und evt. auch noch 2012 Obama gewählt haben) und mit der republikanischen Partei und deren Establishment nichts am Hut haben, sind durch Umfragen einfach schlechter erreichbar als andere Wählergruppen, was weiterhin dazu beiträgt, Trumps Umfragewerte zu unterschätzen.

Tatsächlich sieht man genau dieses Phänomen auch bei folgender Berichterstattung des CNN-Wahlgurus Harry Enten (der früher bei FiveThirtyEight gearbeitet hat):

Das Segment unterstellt, dass Trump gerade die weißen Wähler ohne Collegeausbildung wegbrechen (gezeigt werden die Vorsprünge in Prozentpunkten vor den jeweiligen Gegenkandidaten Clinton, Biden und Harris in diesem Segment). Was hier aber unerwähnt bleibt: Hier vergleicht Enten Äpfel mit Birnen. Für 2016 und 2020 zieht er hier die tatsächlichen Wahlergebnisse heran, während er für 2024 eine Umfrage verwendet, die aber ihrerseits wieder den Fehler macht, die betroffene Wählergruppe zu unterschätzen.

2016 und 2020 war genau dies die größte Fehlerquelle der Umfragen – und würden in diesem CNN-Segment die Umfragen von 2016 und 2020 verglichen, wäre hier kein besonderer Trend ersichtlich.


II. Kamala verliert wichtige Wählergruppen

Wer sich den Clip anschaut, wird feststellen, dass er hauptsächlich dazu dient, die alarmierenden Defizite der Harriskampagne bei anderen Wählergruppen zu relativieren, was besonders für Schwarze und Latinos gilt. Diesen Trend bei Latinos gibt es schon länger, und er ergibt auch Sinn, weil viele der eingewanderten Subgruppen in der Tendenz eher konservativ sind. Das gilt insbesondere für die kubanischen Einwanderer in Florida (weshalb Florida auch nicht länger als swing state gilt), aber auch beispielsweise für die vielen mexikanischen Einwanderer, wie sie gerade in Nevada und Arizona zu finden sind.

Neu ist dagegen der Trend, dass Trump plötzlich nahezu doppelt so viele schwarze Wähler wie in den beiden Wahlen zuvor für sich gewinnen könnte. Dieser Trend war selbst in der Honeymoonphase Kamalas bereits offensichtlich, wenn man in den Umfragen etwas tiefer grub und sich die sogenannten Crosstabs angeschaut hat – und diese dann mit entsprechenden Umfragen zu einem ähnlichen Zeitpunkt 2020 vergleicht.

Das funktioniert selbst bei Umfragen mit systematischen Verzerrungen, da hier weniger genaue Zahlen wichtig sind, sondern der Trend. Sprich es ist dann unerheblich, ob schwarze Wähler (oder eben Latinos) in der Stichprobe über- oder unterrepräsentiert sind, weil klare Zuwächse oder Verluste innerhalb der Wählergruppe dennoch offensichtlich werden. Zu beobachten ist das Phänomen über viele Umfragen hinweg, hier soll als Beispiel YouGov dienen:

Trump vs Biden 2020, Latinos und schwarze Wähler

Trump vs Harris 2024, Latinos und schwarze Wähler

Was Latinos angeht, wird Harris von einer hinreichenden Anzahl als zu progressiv wahrgenommen. Bei schwarzen Wählern ist das Problem dagegen, dass sie (auch wenn sie sich dieser Tage als schwarz bezeichnet) nicht als eine der Ihren gesehen wird. Sie hat die meiste Zeit ihres frühen Lebens in Kalifornien und Kanada zugebracht, und war dann im Wesentlichen Teil des akademischen Lebens in verschiedenen Universitäten in Montreal, Washington DC und Kalifornien, bis sie 1990 ihre politische Karriere in Kalifornien begann.

Im starken Gegensatz zu Obama genießt sie unter schwarzen Wählern weniger kulturelle Akzeptanz, was sich in diesen Wahltrends niederschlägt.


III. Early Vote: Wo die Frühwahldaten für Trump sprechen

Man muss mit Frühwahldaten etwas vorsichtiger sein, als man denken würde. 2020 gab es coronabedingt vor allem via Briefwahl deutlich mehr Frühwähler, was das Problem mit sich bringt, dass die jetzigen Daten in den meisten Fällen nicht vergleichbar sind mit denen von 2020. Es ist hier wichtig, sich auf Staaten zu konzentrieren, die solche Frühwahlmöglichkeiten schon länger anbieten, wie das zum Beispiel in Nevada der Fall ist.

Dort läuten die Alarmglocken der Demokraten, weil die gewohnten Frühwahlpolster, die sich die Demokraten typischerweise aufbauen, im Moment fehlen (ausgezählt wird erst ab dem 5. November, aber man sieht, ob die stimmabgebenden Wähler republikanisch, demokratisch oder unabhängig registriert sind). Im Moment müsste Harris also die unabhängigen Wähler zweistellig für sich entscheiden.

Persönlich denke ich, dass das unmöglich ist, weil es gegen jeden Trend geht (im ganzen Land), der in diesem Wahlzyklus zu beobachten ist. Ich denke auch, dass das Teil eines generellen Trends ist, der im ganzen Land mehr oder weniger ausgeprägt zu beobachten ist. Nur ein potentielles Problem sehe ich hier: Dass die Republikaner hier ihre eigenen Stimmen kannibalisieren, die sie am Wahltag ohnehin bekommen hätten.

Wenn die hier implizierten Trends halten, wird es eine düstere Wahlnacht für Kamala Harris.


IV. Wahlregistrierungsdaten

Ein guter Indikator für kommende Wahlen sind auch die Daten zu (neu) registrierten Wählern. In einigen (aber nicht allen) Staaten der USA registriert man sich als demokratischer, republikanischer oder unabhängiger Wähler. Die Kontraste zur Vorwahl können hier extrem erhellend sein und eine generelle Idee davon geben, wie der Trend verläuft.

Zwar gibt es keine Garantie dafür, dass ein registrierter Wähler auch so wählt, wie er registriert ist, aber im Allgemeinen gibt es hier eine sehr hohe Korrelation. In Georgia beispielsweise gibt es keine Registrierung nach Partei, dafür aber in diesen drei battleground states:

Quelle ist übrigens dieser interessante Blog.

In allen drei Staaten, die 2020 sehr knapp waren, ist der Trend sehr offensichtlich. Wenn es damals also sehr knapp war, und diese Trends so an der Wahlurne ankommen, werden das deutliche Siege für Trump. Zwar haben die Demokraten einen Vorsprung vor allem in Pennsylvania. Das hängt aber damit zusammen, dass Trump ungewöhnliche Wählergruppen im Rust Belt mobilisiert, die zwar eigentlich eher demokratisch wählen, aber nach Obama zu Trump übergelaufen sind.


V. Die Endorsement-Krise

Taylor Swift hat dieses Problem medial etwas überlagert (vor allem in der deutschen Medienlandschaft), aber Kamala Harris hat ein Wahlempfehlungsproblem. Auch das steht im krassen Kontrast zur Situation in den Duellen Trump vs Clinton und Trump vs Biden.

Ganz frisch ist beispielsweise, dass sich die einflussreiche LA Times nicht für Kamala Harris aussprechen wird. Eine ähnlich starke Niederlage ist es, dass sich die einflussreiche Teamster-Gewerkschaft nicht für sie ausgesprochen hat, genausowenig wie es die International Association of Fire Fighters getan hat. Mittlerweile ist auch Jeff Bezos‘ Washington Post dazugekommen.

Letztlich halte ich dies eher für Symptome als für Ursachen der Kamala-Krise, aber nichtsdestoweniger sind auch dies Indikatoren, die für Harris in die falsche Richtung gehen – und auf ein Turnoutproblem hindeuten könnten, so wie es auch die bisherigen Briefwahldaten nahelegen.


VI. Kamala Harris hat viele interne Rivalen

Ein wichtiges Problem für Kamala Harris sind viele interne Rivalen – ein Problem, dass Joe Biden nicht gehabt hätte, weil der nach einer weiteren Amtszeit nicht noch einmal angetreten wäre. Falls Kamala Harris diese Wahl aber jetzt gewinnt, kann sie 2028 als Amtsinhaberin noch einmal antreten. Und Amtsinhaber haben es in aller Regel nicht mit ernsthaften Gegnern in den Vorwahlen zu tun.

Im Moment gibt es mehrere Schwergewichte der demokratischen Partei, die für 2028 eine Kandidatur ins Auge fassen dürften. Neben dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom sind das aller Vorrausicht nach vor allem Gretchen Whitmer (Gouverneurin im battleground state Michigan) und Josh Shapiro (Gouverneur im battleground state Pennsylvania).

Beide sind in entscheidenden Staaten sehr einflussreich, und haben kein ernsthaftes Interesse daran, Harris zum Sieg zu verhelfen. Was effektiv bedeutet, dass sie nicht zwingend ihr Bestes geben werden, um Trump zu verhindern. Das gilt umso mehr, als ein Sieg Trumps auch bedeutet, dass sie es danach 2028 mit einem frischen Gegner zu tun bekommen, der möglicherweise Trumps Mobilisierungskräfte im Rust Belt nicht hat (DeSantis wäre dafür ein Beispiel).


VII. Die wichtigen Wahlthemen favorisieren Trump, nicht Harris

Besser noch als Umfragen schaut man sich an, welche Themen bei einer Wahl am Wichtigsten für den Wähler sind, und welchem Kandidaten diese Themen nutzen. Gerade bei Wahlen, deren Ausgang von der Öffentlichkeit als offen gesehen wird, ist das meist der entscheidende Hinweis darauf, wer letzten Endes gewinnen wird. Bei dieser Wahl sind es die folgenden Themen, die den Wählern besonders auf dem Herzen liegen:

  • Inflation: Das mit Abstand bestimmendste Thema, gerade weil es jede entscheidende Wählergruppe persönlich betrifft. Trump profitiert hier sehr stark von der allgemein rosigeren Wahrnehmung seiner Amtszeit und steht beim Thema Inflation in starkem Kontrast zur Biden-Ära, die zwangsläufig auch mit Vizepräsidentin Harris verbunden wird. Klares Gewinnerthema für Trump.
  • Einwanderung: Wie schon 2016 profitiert Trump stark von diesem Thema, während Harris hier nur bestenfalls von Positionen der Vergangenheit zurückrudern und Schadensbegrenzung betreiben kann. Durch ihre Funktion als border czar ist es ihr de facto unmöglich, sich von diesem Thema zu lösen. Ein weiteres Gewinnerthema für Trump.
  • Außenpolitik: Hier profitiert eher Trump aufgrund seines nicht-interventionistischen Ansatzes. Dass er sich aus Kriegen heraushält hat er in seiner ersten Amtszeit bereits bewiesen, und hilft ihm enorm bei bestimmten Wählergruppen, insbesondere dem berühmten Obama/Trump-Wähler aus dem Rust Belt.
  • Abtreibung: Dieses Thema nutzt Harris, ist aber insgesamt in diesem Wahlzyklus weniger von Bedeutung als Inflation und Einwanderung. Das Thema wird für Trump auch teilweise dadurch entschärft, dass er nicht prinzipiell gegen Abtreibung ist, sondern dies die Staaten selber regeln lassen möchte.

In der Summe ergibt sich auch hier kein Bild, dass einen hoffnungsfroh für Kamalas Chancen stimmen würde.


VIII. Fazit: Alles deutet auf einen deutlichen Sieg Trumps hin

Alarmierend für Harris ist hier besonders, wie einseitig alle Indikatoren in Richtung Trump deuten. Die Umfragen sind tatsächlich noch einiermaßen knapp, allerdings besteht für mich weiterhin der begründete Verdacht, dass Trumps Unterstützung noch immer unterschätzt wird. Alle anderen Daten deuten auf einen deutlichen Sieg Trumps im Electoral College hin, und selbst ein Sieg in der Kategorie Popular Vote wirkt jetzt in Reichweite, was noch bei den Wahlen 2016 und 2020 für Trump völlig außer Frage stand.

Ein Blogpost mit einer Übersicht über die besten Wetten zur US-Wahl 2024 folgt in den nächsten Tagen.

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