Kernthesen #2: Die Dollar Milchshake Theorie

Die Dollar Milchshake Theorie

Nichts hat mich in jüngster Zeit hellhöriger werden lassen als die Dollar Milchshake Theorie. Ihr zufolge wird der US-Dollar gegenüber anderen Fiat-Währungen mittelfristig enorm an Wert gewinnen, im Tandem mit Gold. Eine steile These von einem gewissen Brent Johnson, und ich denke dass er damit recht hat. Doch wie sehen die Details dieser Theorie aus?

Die Dollar Milchshake Theorie im Original

Ausführlich erklärt hat er seine Dollar Milkshake Theorie in dieser Präsentation, und vor dem Hintergrund der Coronaviruskrise hat er sie in einem Interview noch einmal zusammengefasst:



1. Worum geht es?

Seit der großen Finanzkrise 2008 hat sich ein großer Berg Schuld angehäuft, den nicht allein Länder, sondern auch Institutionen, Korporationen, kleinere Firmen etc. aufgenommen haben. Die meisten dieser Schulden werden in US-Dollar geschuldet, der globalen Leitwährung schlechthin.

Für diese Dollarschulden gibt es drei unterschiedliche Szenarien:

  1. Die Schulden werden abbezahlt.
  2. Die Schulden werden zwar nicht abbezahlt, wohl aber werden die fälligen Zinsen bedient.
  3. Der Rest der Schulden kann nicht bedient werden.

Brent Johnson ist davon überzeugt, dass es fast kein Szenario gibt, in dem all das nicht zu einem massiven Wertgewinn des USD führt. Obwohl die Fed wieder fleißig Geld druckt, erzeugen die Zinszahlungen und nichtbedienten Schulden einen konstanten Druck, der den US-Dollar über lange Sicht nach oben treibt.

2. Der Kernmechanismus

Zwar kann die Nichtbedienung von Schulden insgesamt mit einem Nachfragerückgang einher gehen , allerdings zerstört sie effektiv auch Geld. Da das in größerem Ausmaß passiert, als die Fed Geld drucken kann, erzeugt das insgesamt einen Deflationsdruck für den Dollar, was zu einem relativen Wertgewinn gegenüber allen anderen Währungen führt [1].

In einer schuldenbasierten Wirtschaft wie gegenwärtig wird Geld durch Leihen in die Welt gesetzt. Wenn nun dieses geliehene und geschuldete Geld nicht zurück gezahlt werden kann, sorgt das für das effektive Verschwinden dieses Geldes. Daraus entstehen Kettenreaktionen, die bis hin zu den Sicherheiten reichen, die die Schuldner für das Leihen des Geldes gegeben haben.

3. Die Rolle von USD vs Gold & Bitcoin

Dabei ist wichtig anzumerken, dass Brent Johnson davon ausgeht, dass auf sehr lange Sicht auch der US-Dollar gegenüber Gold dramatisch an Wert verlieren wird. Denn er ist ebenfalls der Meinung, dass das viele Gelddrucken für den Dollar auf Dauer zu einer Katastrophe führt. Aber: Er geht davon aus, dass es vorher zu einem Crash aller anderen Währungen relativ zum Dollar kommt. Bitcoin wird dabei aufgrund seiner natürlichen Knappheit eine ähnliche Rolle wie dem Gold zukommen, auch wenn sie mit mehr Volatilität verknüpft sein wird[2].

Er geht also auf sehr lange Sicht von einem ähnlichen Szenario aus wie viele Schuldenskeptiker und Kritiker des gegenwärtigen Finanzsystems, die insbesondere auf Gold und Bitcoin setzen. Allerdings unterscheidet sich seine Sicht der Dinge in Bezug auf den Weg, den die Weltwirtschaft dorthin durchläuft. Goldbugs wie Peter Schiff gehen im Gegensatz dazu davon aus, dass der USD eher früher als später zusammenbrechen wird, besonders im Verhältnis zu anderen Währungen.

4. Warum wird eigentlich so viel Geld in USD geschuldet?

Historisch gewachsen ist der USD derzeit die Leitwährung schlechthin, und viele Währungen sind oder waren zeitweise direkt an ihn gekoppelt. Eine andere wichtige Rolle spielte die Finanzkrise 2008, die direkt dazu führte, dass die Fed scheinbar wie entfesselt Geld druckte. Aus diesem Grund war die Meinung schon damals sehr weit verbreitet, dass der Dollar international an Wert verlieren werde.

Wie agiert man also schlau in solch einer Situation? Man leiht seine Schulden in Dollar, und investiert diese oder tauscht sie in andere Währungen um, die man für stabiler hält. Weltweit liehen sich also sehr viele Akteure außerhalb der USA (Banken hierbei nicht mitgezählt) eine Menge Gold in US-Dollar. Bis 2008 wurden von diesen Akteuren ca 4-5 Billionen Dollar geliehen. In den Jahren danach bis heute war es ungefähr das Doppelte: 9-10 Billionen (siehe Zeitstempel 4:21 in seiner Präsentation).

Dummerweise für die Beteiligten ging diese große Wette nicht auf: Der Dollar gewann wider Erwarten an Wert.

DXY-Chart seit der Finanzkrise (US-Dollar Index)
Seit der Finanzkrise 2008 hat der DXY (der US-Dollar Index, ein gewichteter Währungskorb aus Euro, Pfund, Yen, kanadischen Dollar, schwedischen Kronen und Schweizer Franken) grob 20% auf den US-Dollar verloren
Der Trade Weighted US-Dollar Index seit der Finanzkrise
Auch der Trade Weighted US-Dollar Index, der sogar auf 26 Währungen basiert, zeichnet ein sehr ähnliches Bild seit der Finanzkrise (die damit einher gehende US-Rezession ist im Chart grau eingezeichnet)

5. Die Situation von der Finanzkrise bis 2019

Zur Bekämpfung der Finanzkrise begannen auch Staaten und Zentralbanken im Rest der Welt damit, enorme Mengen Liquidität in die Märkte zu pumpen. Hier nur eine kleine Liste wichtiger Beispiele von Quantitativer Lockerung, die aber längst nicht erschöpfend ist:

In der Zeit von 2009 bis 2014 geschah die Injektion von Kapital weltweit einigermaßen im Gleichschritt, doch dann kam ein wichtiger Schnitt: Die USA hörten damit auf und begannen, ihre Zinsen wieder zu erhöhen – während beispielsweise die EZB das nicht tat:

Leitzinsenvergleich zwischen USA und Eurozone von 2000 bis 2020
Quelle: EZB/FED via www.leitzinsen.info

Eine damals weit verbreitete Theorie: Die Zinserhöhungen würden zu einem Crash führen. Dieser blieb aus, doch es gab einen anderen Effekt, der den wichtigen Kern der Dollar Milchshake Theorie ausmacht: Kapital begann in starkem Ausmaß in die USA zu fließen. So entstand ein Prozess, in dem die von anderen Staaten und Zentralbanken geschaffene Liquidität nach und nach in die Vereinigten Staaten herübergesaugt wurde – wie mit einem Strohhalm aus einem Milchshake. Laut Brent war das nicht der einzige Grund für die Richtung des Kapitalflusses[3], aber der wichtigste.

Folgerichtig gewann der US-Dollar in dieser Phase an Wert gegenüber sehr vielen Währungen.

6. Der Effekt der Coronaviruskrise

Die Coronakrise beendete zwar die Zeit der deutlich höheren US-Zinsen, hat aber eine andere dramatischen Folge: Liquidität floß und fließt in einem Ausmaß aus den Finanzmärkten hinaus, wie man es seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr gesehen hat.

Aus diesem Grund ist es jetzt bedeutend schwerer, Schulden abzubezahlen und fällige Zinsen zu bedienen. Daraus entsteht eine unglaubliche Nachfrage nach US-Dollar, die den Wert der Währung weiter nach oben treibt. Aufgrund der vielen Finanzspritzen weltweit wird es eine ganze Weile dauern, bis sich dieser Makroprozess in Gänze entfaltet, sprich: Bis man den Effekt auch an den weltweit bedeutsamsten Währungen ablesen kann, am Euro oder Yen beispielsweise. Nichtsdestoweniger kann man schon jetzt sehen, wie bestimmte Währungen 2020 dramatisch an Wert verloren haben gegenüber dem Dollar:

Übersicht über den prozentualen Gewinn/Verlust der wichtigsten Währungen mit dem USD seit Januar 2020
Diese Übersicht zeigt, wie viel Prozent die vorangestellte Währung auf die nachgestellte Währung gewonnen (positive Werte) oder verloren hat (negative Werte) seit dem 1. 1.2020. (Quelle)

Tatsächlich haben 2020 bisher nur zwei der teilweise durchaus namhaften Währungen aus diesem Chart überhaupt relativ zum US-Dollar an Wert gewonnen: Der japanische Yen (JPY) und der Hongkong-Dollar (HKD).

7. Das Endspiel: Dollar vs Gold (& Bitcoin)

Johnson betont bei all dem, dass es unmöglich ist zu wissen, wann es so weit sein wird. Aber er sagt, dass er sich sehr sicher ist, dass am Ende folgendes passieren wird: Der US-Dollar wird nach und nach gegenüber jeder Fiat-Währung enorm an Wert gewinnen. Das liegt weniger daran, dass er den US-Dollar für besonders stark hält, sondern daran, dass für ihn der Dollar die am wenigsten schwache Währung ist. Er ist der letzte sichere Hafen, in dem alle Zuflucht suchen werden.

Er sieht in einem sehr starken Dollar in der Nähe seiner Rekordwerte eine auf Dauer nicht tragbare weltweite Situation, die effektiv eine Deflationsspirale für alle Staaten bis auf die USA in Gang setzen wird. Und diese Krise wird in seinen Augen letztlich einen Punkt erreichen, an dem es nötig ist, eine Schwächung des Dollars zu erzwingen – beispielsweise wie es im Rahmen des Plaza-Abkommens 1985 schon einmal geschah, das für eine Abwertung des Dollars um 50% gegenüber Yen und D-Mark sorgte.

Und das ist dann die Situation, in der schlussendlich das Gold auch in Dollar gerechnet sehr stark an Wert gewinnen wird.

In der ursprünglichen Präsentation erwähnt Brent Johnson den Bitcoin zwar nur am Rande, aber aus dem Twitter-Feed seines Hedgefonds Santiago Capital geht sehr deutlich hervor, dass er dem Bitcoin aus den gleichen Gründen wie Gold eine große Zukunft vorhersagt.

8. Konkrete Vorhersagen auf Basis der Dollar Milchshake Theorie

Und hier auch ein paar konkrete Vorhersagen Brents auf Basis seiner Theorie, die sich alle konkret überprüfen und damit gegebenenfalls falsifizieren lassen:

  • Der US-Dollar wird sein Allzeithoch wieder erreichen (gemessen in allen anderen Währungen)
  • Zinsen für Staatsanleihen in Europa werden wieder deutlich ansteigen, über das Niveau der Vereinigten Staaten (bedingt durch das höhere Risiko, das mit ihnen verknüpft ist)
  • Der Euro wird wieder unter Paritätsniveau mit dem Dollar sinken, und das deutlich (etwa in den Bereich 0.80 bis 0.90)
  • der Hongkong-Dollar und Yuan werden stark an Wert verlieren gegenüber dem jetzigen Dollarniveau, was in der Summe zu einem Verfall der Kupferpreise führt. Stand Vorhersage lagen die Copper Futures bei ca 2.811, Stand jetzt liegen sie bei 2.332.
  • Er sagte im Januar 2019 auch einen Verfall der Ölpreise voraus, was coronavirusbedingt schon sehr früh eintraf
  • Der Australische Dollar wird 30-40% gegenüber dem USD-Niveau von Januar 2019 verlieren (also von grob 0.72 auf ca. 0.50)

9. Fazit: Was ich aus all dem für mich selber ableite

Da ich meine Wetten in großen Teilen bisher in Euro abgewickelt habe, werde ich dies in Zukunft in US-Dollar tun. Das ist für mich die wesentlichste Erkenntnis; ansonsten war ich schon lange bevor ich über diese Theorie gestolpert bin davon überzeugt, dass das internationale Währungssytem in eine ungesunde Richtung steuert – und habe mich dementsprechend mit den klassisch dafür verwendeten Instrumenten darauf vorbereitet.

Und sicher werde ich auch nicht jeden Euro, den ich besitze, für andere Währungen verscherbeln. Wie immer gilt: So gut man auch vorhersagt, es kann immer alles anders laufen. Doch wie immer gilt auch: Hoffnung ist keine Strategie. Also bereite ich mich vor. Man kann es auch so ausdrücken, wie die Wall Street Playboys auf Twitter:

10. Anhang: Die Entstehungsgeschichte der Dollar Milchshake Theorie

Die Entstehungsgeschichte der Dollar Milchshake Theorie besteht aus zwei Teilen: Die Arbeit Brent Johnsons, die zur Theorie selber führte, und dem Film There Will Be Blood, die der Sache ihren Namen gab.

a) Entstehung der Theorie

Brent Johnson hatte bis vor ein paar Jahren einmal einen Gold-Hedgefond, den er aber wieder schließen musste. Es war ihm nicht möglich , eine profitable Struktur zu entwerfen, die für die Kunden nicht zu teuer war. Ein Umstand, der ihn mächtig irritierte, weil er davon überzeugt war, dass Gold gegenüber dem US-Dollar längst an Wert gewonnen haben müsste.

Also unternahm er eine große Studie um zu verstehen, warum Gold in US-Dollar gemessen hartnäckig in einem Bärenmarkt verharrte.

Entwicklung des Goldpreises pro kg in US-Dollar und Euro in den letzten 15 Jahren
Die Dollar Milkshake Theorie müsste in etwa 2015/16 entstanden sein. Quelle: goldprice.org

Das Ergebnis seiner Recherchen wurde zur Dollar Milkshake Theorie.

b) Entstehung des Begriffs

Den Begriff selber hat er dem Film There Will Be Blood entlehnt. Darin geht es um das Leben und den Aufstieg eines grausamen Ölbarons in Südkalifornien im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. In einer ikonischen Szene erklärt er einem Grundstücksbesitzer, der ihm nach Fehlspekulationen sein Land zur Ölförderung verkaufen möchte, dass er das Öl von Nachbargrundstücken aus längst gefördert habe (die Beziehung der beiden ist noch etwas komplexer, aber das sprengt hier den Rahmen). Dafür verwendet er die Metapher eines Milchshakes, den er ihm mit seinem Strohhalm wegtrinkt.

Das Äquivalent dazu in unserer Finanzwelt ist der US-Dollar, der die von anderen Ländern und Zentralbanken bereitgestellte Liquidität wie einen Milkshake wie durch einen Strohhalm aufsaugt und dadurch stärker wird.


Fußnoten

[1] Damit sind Fiat-Währungen gemeint, hinter denen eine Zentralbank oder ein Staat steht, nicht Kryptowährungen. Denn gegenüber dem Bitcoin beispielsweise, der ebenfalls knapp ist und nicht beliebig gedruckt werden kann, wird der USD nicht notwendigerweise an Wert gewinnen. Jedenfalls nicht im Rahmen dieser Theorie.

[2] Das hat mit vielen Aspekten zu tun, nicht zuletzt der potentiellen Nutzerbasis. Jeder mögliche Interessent weiß, was Gold ist, und wozu es dient. Dieser Punkt ist bei Bitcoin noch längst nicht erreicht.

[3] Andere wichtige Gründe, die er nennt: Trumps Deregulierungen und die von ihm initiierten Steuererleichterungen, sowie das größere Wirtschaftswachstum.

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